Religiöse Volkskunst

„Hansln“ brachten Haussegen

Vor über 120 Jahren wirkte der Maurer und Künstler Bartholomäus Ostermayr (1837 bis 1899). Der gebürtige Metzenrieder (Kreis Aichach-Friedberg) schuf über 300 Mauerreliefs, vor allem Heiligenfiguren, in zahlreichen Landkreisen. 106 Exponate sind noch erhalten. 

Ostermayr kaufte 1865 in Unterweilenbach (Kreis Neuburg-Schrobenhausen) ein Anwesen und ließ sich dort mit seiner Frau nieder. Neben der landwirtschaftlichen Arbeit schnitzte er in den Wintermonaten Allerlei aus Holz – Schlittenköpfe, Stöcke, Löffel oder Messergriffe. Im Frühjahr oder Sommer, je nach Arbeitsanfall auf seinem Hof, machte er sich mit dem Rucksack zu Fuß auf und ging als Maurer auf die Stör.Er arbeitete also in den Häusern seiner Auftraggebern und erhielt dort Kost und Logis. So sorgte er als Störmaurer für das Auskommen seiner zehnköpfigen Familie. 

Manchmal kam der Barthl monatelang nicht nach Hause. Ehefrau Afra kümmerte sich um die Kinder und die Landwirtschaft. Mit seinen „Hansln“ – so nannte man früher seine Mörtelplastiken oder Mauerreliefs – machte er sich einen Namen. Er eignete sich das Fertigen der Halbplastiken selbst an. 

Barthls Kunden waren vor allem Bauern. Für viele Landwirte war es ein Privileg, sich vom Barthl eine Plastik anfertigen zu lassen. Man wollte zeigen, dass man sich diesen Luxus leisten konnte. So hatte der Roach-Bauer aus Großberghofen in der Gemeinde Erdweg auf seinem Hof gleich sechs Plastiken an Außenfassaden anbringen lassen, die alle noch in gutem Zustand sind. 

Aber auch die Volksfrömmigkeit, das Anbringen von religiösen Bildnissen als Haus- und Stallsegen, ihr Stolz auf den Beruf oder der Sinn für das Schöne bewogen Bauernfamilien, Ostermayr auf den Hof zu holen. Das galt vor allem für Kleinbauern, die eigentlich kein Geld übrig hatten. Doch der christliche Glaube oder ein gewisses Maß an Kunstverständnis bewog sie, sich Halb- oder Hochreliefs anbringen zu lassen. Auch manche Wirtsleute präsentierten stolz ein Bierfuhrwerk am Haus. 

Ostermayr schuf Reliefs in den Kreisen Aichach-Friedberg, Dachau, Freising, Fürstenfeldbruck, München, Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen an der Ilm und Starnberg. So findet man im Kreis Aichach-Friedberg noch Mörtelplastiken in Hollenbach, Inchenhofen (Arnhofen), Irschenhofen, Klingen, Schiltberg, Sielenbach (Heilbach, Unterschröttenloh), Hausen bei Hofhegnenberg, Steinach, Stätzling und Taiting.

Heilige und Muttergottes 

Beliebte Motive waren Heilige des Bauernstandes wie der Pferdepatron Leonhard als Mönch oder Abt mit Mitra und Krummstab, der Viehpatron Wendelin als Pflüger, der Feuerpatron Florian mit seinem Löschwasserkübel, der heilige Josef, die Muttergottes mit Kind und die Heilige Familie. 

Aber auch viele Tiere wie Pferde, Kühe, Schafe, Schweine, Hunde und Hennen sowie Handwerker wie der Schäffler, der Schmied, der Schreiner an der Hobelbank oder der ackernde Bauer schmückten die Hauswände. Für eine „einfache“ Figur erhielt der Barthl rund 3,50 Mark. Ein größeres Werk brachte bis zu zwölf Mark ein. Während der Anfertigung an den Wohn- und Wirtshäusern sowie Stadel und Stall sorgten die Auftraggeber für Kost und Logis. 

Die Hochschule München führte 1959 die chemische Analyse einer Mörtelplastik vom Barthl-Anwesen in Unterweilenbach durch. Die von Ostermayr angewandte Technik gab es weltweit kein zweites Mal. Nahezu alle von ihm noch vorhandenen Halb- und Hochreliefs wurden in die Bayerische Denkmalliste aufgenommen.

Oft versuchte man vor dem Abbruch eines Gebäudes, die Objekte zu sichern. Ohne fachmännische Hilfe war das meist nicht möglich, und so kam es zu Zerstörungen der „Hansln“. Einigen Gebäudeeigentümern gelang der Abtrag eines Reliefs, ohne es zu beschädigen. Allerdings wurde es nicht immer an einem anderen Gebäude angebracht, sondern – auch auf Veranlassung der Unteren Denkmalschutzbehörde – eingelagert. Manche Hofnachfolger wussten die Kunst nicht zu schätzen und vernachlässigten die Reliefs. Andere wiederum versäumten es, die Reliefs vor den Witterungseinflüssen zu schützen, oder die Restaurierung war zu kostspielig. 

Ein Musterbeispiel, wie man ein Bildnis erhalten kann, ist die Familie Starringer in Gerolsbach-Gerenzhausen. Sie ließ den heiligen Florian restaurieren. Am neuen Gebäude brachte man 2017 das Schmuckstück wieder an. 

Eine kunsthistorisch wertvolle Skulpturengruppe, die von einem Wohnhaus in Ziegelbach abgetragen wurde, brachten örtliche Kunstinteressierte nach der Restaurierung 2016 am renovierten Pfarrstadel in Taiting an. Die Modellierkunst von Ostermayr findet sich auch in Museen, so im Stadtmuseum in Aichach, im Pfaffenhofener Museum für christliche Kunst und Volksfrömmigkeit sowie im Bezirksmuseum Dachau. Auch im ehemaligen Rent-amt in Pfaffenhofen an der Ilm sind schöne Exponate.

Xaver Ostermayr

12.03.2023 - Bistum Augsburg